im Schwarzwald | Heimat des Bollenhutes

Eine Kolumne aus dem Offenburger Tageblatt von Claudia Ramsteiner:

Hammer, Nägel un die Bürokratie

Neulich hät im Fernseh einer zeigt, wie groß de Atrag fir ä Windrad in de 90er-Johr war: Er hät in ä einzige dünne Schnellhefter niibasst. Hit brucht mer defir mindeschtens zehn dicke Akteordner. Wohrschinz kriege mir do in Ditschland igendwenn mol de Weltuntergang gar net mit, wil mer schu längschd in Akteberg vesoffe sin. Im Internet kursiert ä Gschichtle, wo’s genau trifft. „Netzfund“ nennt mer so ebbes, wenn koi Vefasser meh usfindig z mache isch. I han’s bloß aktualisiert un uf Alemannisch ibersetzt:

1960: Ä Bauherr will si Husnummereschild an a Pfohl nonagle losse. Einer vun de Bauarbeiter nagelt’s ane, er brucht 20 Sekunde und sait Donkschee fir die Flasch Bier, wo ihm de Bauherr anehebt.

1970: Der Bauarbeiter suecht ersch mol noch em Polier un frogt en, ob er des Schild nanagle derf. Der sait, er derf, un nimmt anschließend die Flasch Bier vum Bauherr entgege samt eme Fleischkäsweckle. 20 Minute goht’s, bis alles fertig isch.

1980: Der Bauarbeiter suecht de Polier, der will’s net selber entscheide un goht zum Bauleiter. Seller bespricht des mit em Bauherr bi eme Mittagesse, wo de Bauherr zahlt. Dodefir verrechnet der Bauleiter bloß ei  Stund un ä Schachtel Nägel. Bis des Schild nagnagelt isch, goht’s drei Stund.

1990: De Bauleiter losst sich noch em Mittagesse ersch mol no drei Angebot vu Subunternehmer gäbe und vegibt de Uftrag an de billigscht. Er schlagt in sinere Rechnung fünf Prozent Zuschlag druf, in zwei Woche isch alles erledigt.

2000: De Bauleiter informiert sinner Firmechef. Der holt fünf Angebot ii, gibt de Uftrag an de Billigscht un verrechnet em Bauherr s höscht Angebot und schlagt no siebe Prozent Zuschlag druf. Etz goht’s zwei Monat, bis des Schild anegnagelt isch, un bim Priis liege mer etwa bim 150-Fache vun sellere Flasche Bier vun 1960.

2018: Genau gliich wie 2000. Allerdings brucht mer etz no ä Bauantrag mit eme statischtische Nochwiis für de Pfohl. 22 Träger öffentlicher Belange mieße ihre Senf dezuegäbe und ä Umweltverträglichkeitsprüfung wird au verlangt. Wil de Pfohl usserhalb vum gültige Bebauungsplan stoht, mueß seller ersch vum Gemeinderat abgänderet wäre. De Vorgang mueß usserdem in de Sicherheitsplan vun de Baustell iigfüegt wäre. De Arbeiter wird dezue vepflichtet, dass er e CE-zertifizierte Hammer nimmt un dass er d Nägel us ere Lischde vun EU-zueglossene Befeschdigungsmittel uswählt. Wenn ä Arbeitsmediziner sini geischdige un körperliche Eignung feschdgschtellt un protokolliert hät, de Bebauungsplän gänderet, alle 22 Träger öffentlicher Belange zuegstimmt hän, die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv usgange isch, die vier Iiisprüch vun de Nochbere gerichtlich abgschlage sin, wird der Nagel niigschlage. Nit ohni z protokolliere, dass mer de richtige Hammer un die richtige Nägel gnumme hät. Die Protokolle wäre mit em Datablatt vun de Nägel abgheftet. Noch drei Johr stoht die Husnummer bolzegrad uf em Pfohl. Allerdings wohnt schu längscht ä andere drin, wil de Bauherr pleite gange isch.

2023: Genau gliich wie 2018. Bloß hän etz die Nägel ä Lieferzit vun acht Monet und es git’s denn koi Handwerker meh, wo den Nagel niischlage kennt.